
Vorwort von Prof. Dr. Norbert Kruse zur Dissertation von Beate Leßmann, Universität Kassel
Pädagogische und didaktische Konzepte zum sinnvollen Lernen in der Grundschule werden heute im Zuge zahlreicher Umorientierungen in der Gesellschaft und der Öffentlichkeit in Frage gestellt. Die Urteile über die Grundschule betreffen vor allem den Sprach- und Schreibunterricht. Die Kritik am Unterricht zum Schrifterwerb, die Klage über mangelnde motorische Schreibfähigkeiten, die Aburteilung eines Rechtschreibunterricht, der an Spracherfahrungen orientiert ist und überhaupt ein Schreibunterricht, der auf geöffnete Formate setzt, wird getragen von fragwürdigen Vorstellungen über Kindheit und Lernen. Vorherrschend sind Forderungen nach mehr Regeln und Grenzen für Kinder, nach mehr lehrgangsartigem Lernen, nach gezielter Leistungsorientierung und nach Vergleichbarkeit von Lernergebnissen. Der Ruf nach mehr Führung, nach Kleinschrittigkeit und Geschlossenheit in Bildung und Lernen übertönt die sozialen Differenzierungsprozesse der Kindheit, die kulturellen Unterschiede und das weite Spektrum von Kinderschicksalen, wie sie sich in der Grundschule in jeder Klasse finden.