Im Unterricht Verbindungen zwischen Rezeption und Produktion aufzuzeigen und aktiv für die Entwicklung literaler Kompetenzen zu nutzen, ist vielversprechend. So können beispielsweise in beiden Bereichen dieselben Fachtermini, aber auch dieselben Artefakte (wie etwa der rote Faden) genutzt werden.
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Schreiber- und Leseridentität zusammenführen
Aus den Augen der Schülerinnen und Schüler sind Lesen und Schreiben oftmals zwei voneinander getrennte Bereiche. Arbeitet man im Unterricht sowohl an selbstgeschriebenen Texten als auch an Texten aus der Literatur, so bilden sich sowohl eine Schreiberidentität als auch eine Leseridentität aus. Als aktive Schreiberinnen und Schreiber von eigenen Texten erleben sich die Kinder in Gesprächen über ihre eigenen Texte in Autorenrunden als Autoren und Autorinnen oder als Rezipienten und Rezipientinnen. Als solche agieren sie auch in den Gesprächen über Literatur. Das in Autorenrunden aufgebautes Know-How über Adressaten, Wirkungen und Funktionen von Texten, aber auch ihr Textwissen über Textsorten, Kohärenz etc. bildet einen reichhaltigen Nährboden für die Gespräche über Literatur. Umgekehrt befruchtet die Rezeption von Literatur auch die Produktion der eigenen Texte. Beides zusammenzuführen, kann im Unterricht dann gelingen, wenn dieselbe Sprache über Texte und auch die bereits bekannten Artefakte, wie z.B. der rote Faden verwendet werden.
Eine Sprache für die Sprache
Wer im Gespräch über selbstverfasste Texte von Wirkung, sprachlicher Machart, Textfunktion, Adressat, rotem Faden etc. spricht, bildet damit eine Metasprache aus, die gleichermaßen das Sprechen in Bezug auf Produktion und auf Rezeption ermöglicht bzw. verfeinert. Wer regelmäßig Autorenrunden durchführt und außerhalb dieser Runden über literarische Texte (aus der Literatur) spricht, wird schnell feststellen, dass die Kinder unwillkürlich auf ihr sprachliches Wissen und Können auf Autorenrunden zurückgreifen.
Dieselben Artefakte: Roter Faden, Text-Hand
Artefakte, die auf dieser Homepage vor allem für das Verfassen, Reflektieren und Überarbeiten von eigenen Texten vorgestellt werden, transportieren Vorstellungen guter Texte. Der Rote Faden und die Text-Hand beispielsweise helfen, solche Textnormen zu rekonstruieren, die in unserer Sprach- und Kulturgemeinschaft gewachsen sind. Als solche dienen sie auch der Rezeption von Texten. Der Rote Faden beispielswiese, ohnehin aus der Literaturdidaktik bekannt (Anne Klank), kann bereits vom 1. Schuljahr an verdeutlichen, dass Textualität sowohl an selbst geschriebenen Texten als auch an Texten aus der Literatur nachgezeichnet werden kann. - Übrigens bezeichne ich daher beide als "literarische Texte".
Mit der Text-Hand lassen sich daher auch die Texte "großer Autoren" betrachten - im Gespräch über die gemeinsame Klassenlektüre oder in Literaturzirkeln. Der Profikus und die anderen Materialien stellen Zusammenhänge heraus und wollen ihn gleichermaßen für Lesen und Schreiben fruchtbar machen.
Meine Erfahrungen - meine Einschätzung
In Autorenrunden habe ich immer wieder erlebt, dass Autoren oder Autorinnen äußern, sie haben eine Idee, einen Ausdruck oder eine bestimmte Formulierung aus dieser oder jener Lektüre übernommen. Schreibende berichten auch, dass sie beim Lesen bewusst nach Ideen und Formulierungen suchen - und Lesen deshalb so viel Spaß mache, weil es das Schreiben bereichert..
Als Schreiberin und Schreiber zu lesen, heißt, Lektüre mit den bereits bekannten Kategorien des Sprechens über Texte (Textwirkung und sprachliche Machart derselben z.B.) zu rezipieren. Die Rezeption der nicht selbst verfassten literarischen Texte fußt auf der Rezeption der selbstverfassten Texte - und umgekehrt. In beiden Fällen wird Textwissen implizit genährt und teilweise expliziert. Beides prägt die eigene Textproduktion - das Schreiben erfolgt als Leserin oder Leser. Rezeption und Produktion verschmelzen. Anstelle von Schreiber- und Leseridentitäten sei die Rede von literaler Identität.
Mehr zur Arbeit an Texten erfahren
- Leßmann (2016): Individuelle Lernwege, Handbuch Teil II A: Klassen 3 bis 6, S.211-221
- "Schreiben als literarisches Lernen" (Übertragung von Kaspar Spinners 11 Apekten literarischen Lernens auf selbst verfasste Texte). In: Leßmann (2016): Individuelle Lernwege, Handbuch Teil II A: Klassen 3 bis 6, S. 222-227
- Artikel von Anne Klank zum Roten Faden. In: Grundschulzeitschrift 155 (2002)
- Autorenrunden
- Lesezeit - Buchvorstellung Simon
Fotogalerie: Textarbeit - Produktion und Rezeption
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